Advent
Im Tale sind die Blumen nun verblüht
und auf den Bergen liegt der erste Schnee.
Des Sommers Licht und Wärme sind verglüht,
in Eis verwandelt ist der blaue See.
Wie würde mir mein Herz in Einsamkeit
und in des Winters Kälte angstvoll geh'n,
Könnt ich in aller tiefen Dunkelheit
nicht doch ein Licht in diesen Tagen seh'n.
Es leuchtet fern und sanft aus einem Land,
das einstens voll von solchen Lichtern war.
Da ging ich fröhlich an der Mutter Hand
und trug in Zöpfen noch mein braunes Haar.
Verändert hat die Welt sich hundertmal,
in Auf und Ab - doch sieh, mein Lichtlein brennt!
Durch aller Jahre Mühen, Freud und Qual
leuchtet es hell und schön: Es ist Advent!
Hilde Fürstenberg (1902 - 2005)
Der Stern
Hätt' einer auch fast mehr Verstand
als wie die drei Weisen aus Morgenland,
und ließe sich dünken, er wäre wohl nie
dem Sternlein nachgereist, wie sie;
dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt,
fällt auch auf sein verständig Gesicht,
er mag es merken oder nicht,
ein freundlicher Strahl
des Wundersternes von dazumal.
Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Die vier Kerzen
Vier Kerzen brennen am Adventskranz. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte:
"Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet,
aber die Menschen halten keinen Frieden."
Ihr Licht wurde immer kleiner
und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte:
"Ich heiße Glauben, aber ich bin überflüssig.
Die Menschen wollen von Gott nichts wissen.
Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne."
Ein Luftzug wehte durch den Raum
und die zweite Kerze war aus.
Leise und traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort:
"Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen.
Die Menschen stellen mich zur Seite.
Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen,
die sie lieb haben sollen."
Und mit einem letzten Aufflackern
war auch dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: "Aber, aber, Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" Und fast fing es an zu weinen.
Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte:
"Hab keine Angst. So lange ich brenne,
können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden.
Denn ich heiße Hoffnung."
Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.
Weihnacht
Es blüht der Winter im Geäst,
und weiße Schleier fallen.
Einsam erfriert ein Vogelnest.
Wie vormals lässt das Weihnachtsfest
die Glocken widerhallen.
Es neigt sich über uns der Raum,
darin auch wir uns neigen.
Es glänzt der Kindheit Sternentraum.
Ein neuer Stern blinkt hoch am Baum
und winkt aus allen Zweigen.
Johannes R. Becher (1891 - 1958)
Weihnachtsabend
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war's, durch alle Gassen schwoll
der Kinder Jubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
drang mir ein heiser Stimmlein an mein Ohr:
"Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein blondes Kinderangesicht;
wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
erkannt ich im Vorübergehen nicht.
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört ich, mühsam, wie es schien:
"Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn Unterlass,
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? - War's Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh' meine Hand zu meiner Börse kam,
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Doch als ich endlich war mit mir allein,
erfasste mich die Angst im Herzen so,
als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
Theodor Storm (1817 - 1888)
Weihnachtsbesuch
Ich weiß noch genau, es war gegen sieben
Mutter war grade beim Kaufmann drüben.
Da holtert's und poltert's die Treppe hinauf,
klopft an die Tür und reißt sie auf.
Knecht Ruprecht wars, er kam herein
und denkt euch, Kinder, ich war ganz allein.
Er brummte so etwas wie Weihnachtslieder
da rutschte ich flinkt vom Stuhle hernieder
und sang das Lied von der heiligen Nacht.
Da hat er aber Augen gemacht.
Er schenkte mir Nüsse und Pfefferkuchen
uns sagte: "Dich werd ich noch einmal besuchen.
Leb wohl, grüß Vater und Mutter schön."
Ich sagte fröhlich: "Auf Wiedersehen."