Eines der schönsten Rathäuser in Sachsen
Historie
in Löbau wurde Anfang des 14. Jahrhunderts, frei auf dem Markt stehend, erbaut. Der Kern ist mittelalterlich. Es diente auch als Kaufhaus für die Schuhmacher und Tuchmacher.
Bereits im Jahre 1435 waren Glasfenster für die Ratsstube vorhanden. Seit 1443 befand sich auf dem Turm ein Zeiger, was ihm seit 1448 den Namen 'Zeigerturm' einbrachte.
Im September 1570 wurde das Rathaus durch einen Stadtbrand zerstört und anschließend wieder aufgebaut.
Der Turm brannte im November 1668 aus.
Nachdem das alte Rathaus nicht mehr den Bedürfnissen genügte, lag 1709 ein Entwurf vor, wonach das Rathaus erweitert und in modernen Stand gesetzt werden sollte. Auf Grund von Geldmangel und leeren Ratskassen wurde der Bau aber verschoben.
Durch den Stadtbrand im Oktober 1710 blieb vom Rathaus nur noch Schutt und Asche. Es ist anzunehmen, dass der geplante Neubau nach den bisherigen Plänen erfolgte. Ein gefertigtes Holzmodell für den Bau des Rathauses steht heute im Stadtmuseum in Löbau.
Im März 1711 erfolgte die Grundsteinlegung für das neue Rathaus. Die Ratsstube wurde wieder eingebaut, ein neues Archivgewölbe geschaffen, zur Verschönerung wurde Stuck verwendet und das Äußere des Rathauses durch Kapitäle und Schilder vervollständigt. Zwei am Rathausturm angebrachte Kompasse wurden damals oft als Sonnenuhren bezeichnet. Im Jahre 1714 war der Neuaufbau im Barockstil vollendet.
Das Innere des Rathauses musste zahlreiche Veränderungen hinnehmen. Dem Neubau eines Archives (1825) folgte u. a. der Einzug der königlichen Bezirkssteuereinnahme (1844). Außerdem war von jeher der Ratsweinkeller untergebracht.
Seit 1936 besitzt das Löbauer Rathaus in seiner jetzigen Form wieder seinen gotischen Turm und die barocke Fassade.
Uhr
Südseite - Blick vom Altmarkt | Ostseite - Blick von der Eichelgasse |
Ein neues Uhrwerk wurde auf Beschluss des Rates 1614 angebracht. Am Zifferblatt der Südseite des Turmes trug es als Zeichen der Stadtgerichtsbarkeit den Judutenkopf (Gesichtsmaske im Zentrum des Ziffernblattes). Bei jedem Stundensschlag öffnet und schließt dieser den Mund.
Außerdem befindet sich ein Mondanzeiger in Kugelform darauf. Die Mondkugel ist halbseitig vergoldet (stellt die beleuchtete Hälfte dar) und dreht sich analog der Erde.
Das Uhrwerk wurde beim Turmbrand 1668 zerstört.
Die richtige Uhr am Rathausturm war wenig zuverlässig. So wurde 1793 eine neue beschafft. Diese diente der Stadt, bis sie 1914 eine moderne, mit elektrischem Antrieb versehene, Uhr geschenkt bekam. 1934 wurde das alte Uhrwerk im Stadtmuseum aufgestellt und 1939 mit dem Judutenkopf verbunden. Dieser wurde, ebenso wie die 1771 erneuerte Sonnenuhr, bei der Restaurierung des Rathausturmes abgenommen.
Seit der erneuten Restaurierung des Löbauer Rathauses im Jahr 1992 hat der Turm wieder eine Mondphasenuhr. Wahrscheinlich sogar die ganggenaueste Europas. Das besondere der Uhr ist die Gesichtsmaske im Ziffernblatt, Judute genannt, die zur vollen Stunde ihr Kinn bewegte. Die Judute stellt die städtische Gerichtsbarkeit dar.
Für Restaurator Horst Büschel war es eine Herausforderung, dass das Gesicht des Judutekopfes nicht nur zur vollen, sondern auch zu jeder Viertelstunde den Mund auf und zu macht. So funktionierte einst die Uhr, ist in einem alten Mundartgedicht überliefert.
Wappen
Das sandsteinerne Wappenensemble über der Eingangstür des Rathauses ist Anfang des 18. Jahrhunderts, in der Zeit der sächsisch-polnischen Union entstanden.
Während des Neuaufbaus nach dem Stadtbrand 1710 wurden die halbplastischen Wappenelemente geschaffen, so wie sie heute noch zu sehen sind.
Anlässlich der 750-Jahrfeier Löbaus wurden 1991 unter Mitwirkung der Denkmalpflege letzte Restaurierungen durchgeführt. Dabei wurde für die Vergoldung ein noch feinwertigeres Blattgold verwendet.
In der Heraldik gab es ursprünglich die beiden Metalle Gold und Silber sowie die vier Farben Rot, Blau, Grün und Schwarz. Purpur diente der Färbung von Beiwerk und Schmuckelementen. Vor allem für kaiserliches Beiwerk wurde Purpur verwendet.
"Zu beachten ist die in der Fachterminologie umgekehrte Seitenbezeichnung. Heraldisch bestimmt man links und rechts vom Standort des Ritters oder Schildträgers aus, also von hinter dem Schild gesehen. Eine Schild- und Schildwappen- beschreibung wird üblich links begonnen, das ist jedoch heraldisch rechts."
Diesen Hinweis und alle weiteren Infos zum Wappen am Löbauer Rathaus habe ich einer mehrseitigen Veröffentlichung (wahrscheinlich Stadtjournal, leider nicht mehr nachvollziehbar) entnommen, die das gesamte Wappenensemble bis ins kleinste Detail beschreibt.
Das obere Wappenensemble
Das in halbplastisch herausgearbeitetem Sandstein befindliche Ensemble enthält das königlich-polnische und das kurfürstlich-sächsische Wappenschild.
Ein Reichsapfel mit einem Kreuz (Symbol christlicher Weltherrschaft) bildet den oberen Abschluss auf der Krone.
Über den Schildern befindet sich eine Königskrone mit einem mit Edelsteinen geschmückten Reif.
Der Purpurmantel fließt aus der Krone, wird von Engeln gehalten und umhüllt den Wappenschmuck. Als optischer Abschluss am Fuß des Ensembles ist ein im Bogen hängendes Purpurtuch vorhanden. Seitlich schmücken ornamentale Arabesken.
Das untereWappenensemble
Das Ensemble enthält Elemente des Löbauer Stadtwappens.
Fleischbänke/Ratskeller
Nach der Sanierung der Fassade des Rathauses und des Ratssaales beschloss der Stadtrat im März 1995, auch Ratskeller und Fleischbänke wieder zu aktivieren. Im Oktober 1995 allerdings wurde der Beschluss geändert und die Realisierung wegen der fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten ausgesetzt.
Was 1995 mit der Planung begann, ging 2004 mit der Entkernung weiter. Erste Ergebnisse der Maßnahme wurden den Löbauern Anfang Dezember 2004 gezeigt. Nach 70 Jahren hatten die Fleischbänke für einen Tag geöffnet.
Es ist möglich, dass der Gebäudeteil erst später an das Rathaus angebaut wurde. Reste von zum Vorschein gekommenen Renaissancebögen an der Innenwand zeugen davon. Ziel war es, die Fleischbänke so originalgetreu wie möglich wieder herzurichten. Die Arbeiten erfolgten in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz. Farbuntersuchungen konnten anhand alter aufgefundener Farbschichten durchgeführt werden und zeigen Wände und Restaurationsarbeiten wieder in den alten Farben aus der Barockzeit.
Die 1937 eingebauten Zwischendecken wurden herausgerissen, wodurch die Wände der Fleischbänke wie einst reichlich fünf Meter hoch sind. Außerdem wurden sämtliche Wanddurchbrüche zur Ratsgaststätte zugemauert. Der alte Aufzug für Speisen wurde entfernt und die Innentreppe von der Nikolaistraße abgerissen. Anstelle des kleinen Fensters im Bankgässchen befindet sich eine Tür, wie es früher war. Wie einst sind die Fleischbänke damit wieder von beiden Seiten durch zwei große Türen ebenerdig begehbar. Im Mittelalter fuhren die Leute sogar mit Pferdewagen durch die große Gewölbehalle.
Im Kreuzgewölbe wurden die roten Backsteinziegel freigelegt, gereinigt und bei Bedarf ausgebessert. Reste einer bei Abbrucharbeiten frei gelegten Nische stammen aus der Zeit des ganz alten Rathauses vor dem Stadtbrand von 1710. Sie ist etwa 30 cm tief und befindet sich im oberen Wandbereich. Um Nische und den Rundbogen darüber sichtbar werden zu lassen, ist ein Teilstück von ihr freigelegt worden.
Ein etwa zwei Meter großes Wandbild im ehemaligen Ratsherrenstübchen und späteren Spielzimmer stammt vermutlich aus der Zeit um 1930. Es wurde restauriert und erstrahlt nun im alten Glanz.
Dem früheren Aussehen entsprechend wurde die 1937 großzügig angelegte Treppe an der Eingangstür Nikolaistraße wieder entfernt (3). Die zur gleichen Zeit wahrscheinlich aus reinen Prunkzwecken errichtete Säule (1) und (2) wurde abgetragen. Säule und Stahlbaldachin sollen gereinigt und an der Vortreppe im Bankgässchen aufgestellt werden. Der Schriftzug "Ratskeller" (siehe Foto oben) über dem Eingangsbereich der Nikolaistraße wurde durch "Fleischbänke" ersetzt. Der Ratskeller ist der Historie folgend, wieder über seine ursprüngliche Tür erreichbar (4).
(1) | (2) | (3) | (4) |
Die Fleischbänke in Löbau sind wegen ihrer schönen Gewölbedecke eine Besonderheit.
In den meisten Städten der Oberlausitz wurden im Laufe der Zeit die Fleischbänke aus den Rathäusern ausgelagert.
In das ehemalige Handelszentrum unter dem Löbauer Rathaus ist im Juni 2008 die Löbau-Information eingezogen. Die bisherigen Räume waren sehr beengt und nicht behindertengerecht. Dem umfangreichen Touristenangebot einschließlich Anzeigenannahme und Ticketverkauf kann nun großzügig Rechnung getragen werden. Auch für das große Stadtmodell steht nun ausreichend Platz zur Verfügung.
Der Ratskeller ist das älteste Lokal der Stadt.
Seit 1992 stand es leer. Ziel der späteren Sanierungs- arbeiten war es, die Gaststätte wieder zu eröffnen. Dabei ist der Eingang zum alten, neuen Ratskeller originalgetreu über die Treppe angelegt worden. Ein weiterer Ausgang befindet sich zum Bankgässchen hin. Außerdem gibt es eine Außengastronomie in Form eines Biergartens.
Das Restaurant konnte - dem Vorhaben enstsprechend - im September 2010 anlässlich des Stadtfestes wieder eröffnet werden.