Der Erste
Wer ist zuerst wohl im Frühling wach?
Das ist die Weide, die Weid' am Bach.
Eh noch geschmolzen das letzte Eis,
trägt sie schon Knospen, schön silberweiß.
Wer sagt ihr's wohl, dass sie nicht sich irrt
und sicher weiß, dass es Frühling wird?
Die Lerche sang in der Luft so laut,
der Weide hat sie es anvertraut.
Die sagt's nun weiter: "Auf, lasst euch seh'n,
ihr Blumen, Zeit ist es aufzusteh'n!"
O seht, schon durftet ein Veilchen hier;
Dank sei dir, Lerche, und Weide, dir!
Johannes Trojan (1837 - 1915)
Des Kirschbaums Gäste
Der Kirschbaum blüht an Zweig und Ast,
da hat er auch schon einen Gast.
Am jungen Grün und zarten Blatt
frisst sich das Räuplein voll und satt.
Der Kirschbaum blüht an Zweig und Ast,
da hat er wieder einen Gast.
Das Bienchen findet Honigseim
und trägt ihn in die Zellen heim.
Und sind der Wochen sechs vorbei,
es kommen gar der Gäste zwei.
Kennst du sie wohl? Sag es geschwind:
Es ist das Spätzlein und - das Kind.
Ernst Lausch
Die Schönste
Wenn der Winter von dannen scheidet
und die Blumen im Grase blüh'n,
wer ist lieblicher wohl gekleidet
als die Birke in lichtem Grün!
Alles hat ja zur Frühlingsfeier
schön geziert sich, Baum, Strauch und Kraut;
aber die Birke in zartem Schleier
ist die Schönste, sie ist die Braut.
Johannes Trojan (1837 - 1915)
Hoch oben von dem Eichenast
eine bunte Meise läutet,
ein frohes Lied, ein helles Lied,
ich weiß auch, was es bedeutet.
Es schmilzt der Schnee,
es kommt das Gras,
die Blumen werden blühen;
es wird die ganze weite Welt
in Frühlingsfarben glühen.
Die Meise läutet Frühling ein,
ich hab' es schon lange vernommen;
er ist zu mir bei Eis und Schnee
mit Singen und Klingen gekommen.
Hermann Löns (1866 - 1914)
Frühlingsarbeit
Der Frühling kommt ins Land herein,
das überschneit noch liegt und weiß.
Er sagt: "Bald soll es anders sein."
Ein Hauch - da schmelzen Schnee und Eis.
Er sagt: "So kahl ist noch die Flur,
ob auch schon warm die Sonne schien.
Grün hab ich gern." - Er lächelt nur,
da färbt sich Wald und Wiese grün.
zu einfach grün ist mir die Au."
Gleich stickt er in den grünen Grund
die Blumen weiß, rot, gelb und blau.
Er sagt: "Zu still ist noch mein Reich.
Ihr Vöglein, singt im grünen Wald."
Da singen Fink und Amsel gleich,
dass laut es von den Zweigen schallt.
Wie hat's der Frühling schön gemacht!
Schon springen Rosen auf dem Strauch
und alles draußen singt und lacht.
Nun geht hinaus und freu dich auch!
Johannes Trojan (1837 - 1915)
Frühlingsbotschaft
Kuckuck, Kuckuck ruft aus dem Wald:
Lasset uns singen,
tanzen und springen!
Frühling, Frühling wird es nun bald.
Kuckuck, Kuckuck lässt nicht sein Schrei'n:
Kommt in die Felder,
Wiesen und Wälder!
Frühling, Frühling stelle dich ein!
Kuckuck, Kuckuck, trefflicher Held!
Was du gesungen,
ist dir gelungen:
Winter, Winter räumet das Feld.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Lenzens Ankunft
Der Lenz ist angekommen,
hat ihr es nicht vernommen?
Es sagen's euch die Vögelein,
es sagen's euch die Blümelein:
Der Lenz ist angekommen!
Ihr seht es an den Feldern,
ihr seht es an den Wäldern;
der Kuckuck ruft, der Finke schlägt,
es jubelt, was sich froh bewegt:
Der Lenz ist angekommen!
Hier Blümlein auf der Heide,
dort Schäflein auf der Weide:
Ach, seht doch, wie sich alles freut!
Es hat die Welt sich schön erneut:
Der Lenz ist angekommen!
Volkslied
Sehnsucht nach dem Frühling
O wie ist es kalt geworden
und so traurig, öd und leer!
Rauhe Winde weh'n von Norden,
und die Sonne scheint nicht mehr.
Auf die Berge möchte ich fliegen,
möchte seh'n ein grünes Tal,
möcht' in Gras und Blumen liegen
und mich freu'n am Sonnenstrahl.
Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang,
möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang.
Schöner Frühling, komm doch wieder,
lieber Frühling, komm doch bald,
bring uns Blumen, Laub und Lieder,
schmücke wieder Feld und Wald!
Ja, du bist uns treu geblieben,
kommst nun bald in Pracht und Glanz,
bringst nun bald all deinen Lieben
Sang und Freude, Spiel und Tanz.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Über'n Garten durch die Lüfte
Über'n Garten durch die Lüfte
hört' ich Wandervögel zieh'n.
Was bedeutet Frühlingsdüfte,
unten fängt's schon an zu blüh'n.
Jauchzen möcht' ich, möchte weinen,
ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen's
und in Träumen macht's der Hain
und die Nachtigallen schlagen's:
Sie ist Deine, sie ist Dein!
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857)